Der Hintergrund eines Charakters beschreibt die bedeutsamen Ereignisse, Leute und Erfahrungen, aus denen seine Hintergrundgeschichte bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem er seinen ersten Auftritt in der Saga der Kampagne hat. Manche Charaktere werden unter außergewöhnlichen Umständen geboren und von Prophezeiungen und Omen angekündigt. Andere führen völlig normale Leben, bis ein dramatisches Ereignis sie auf jene gefährlichen Pfade führt, die von Helden und Monstern bereist werden. Der Hintergrund eines Charakters ist die Basis komplexer Motive und emotionaler Verwundbarkeiten. Daher bestimmen diese früheren Erfahrungen auch, wie der Charakter gegenwärtig in bestimmten Situationen reagiert. Würde das Kind einer Göttin und eines Sterblichen gewöhnliche Kreaturen als niedere Wesen betrachten? Wie reagiert jemand, der in bitterer Armut aufgewachsen ist, wenn man ihn bestiehlt? Wie verhält man sich gegenüber Klerikern anderer Religionen, wenn die eigenen Geschwister von einer militanten Theokratie als Ketzer verbrannt wurden? Wenn du einen neuen Charakter spielst, erhältst du durch die Einzelheiten seines Hintergrundes ein rasches Verständnis für seine Vergangenheit und kannst leichter in seine Haut schlüpfen und ihn besser verkörpern. Im Laufe der Kampagne werden dann die ersten Abenteuer schrittweise Teil seines Hintergrundes und bilden eine nahtlose Kette von Ereignissen, welche sein Leben ausmachen und sich auf seine sich ständig verändernde und weiterentwickelnde Persönlichkeit auswirken.


Das Erschaffen eines Hintergrundes

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie du mit Hilfe dieses Bandes einen Charakterhintergrund angehen kannst. Ein Ansatz ist die organische Methode, bei der du Details zu einem Charakter mithilfe der Fragen in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels erarbeitest. Alternativ kannst du den Hintergrundgenerator nutzen, um die Geschichte deines Charakters zufällig zu erstellen. Natürlich kannst du die Tabellen des Generators auch zur Inspiration verwenden und deiner Vorstellungskraft freien Lauflassen, während du jene Elemente auswählst, die dich auf Ideen bringen oder zu dem Bereich passen, mit dem du dich befassen willst.
Bei veröffentlichten Pathfinder-Abenteuerpfaden hast du oft Gelegenheit, Kampagnenwesenszüge auszuwählen, welche deinen Charakter thematisch mit einer für den Abenteuerpfad relevanten Handlung verbinden. Besprich dich mit deinem Spielleiter, ob es solche Wesenszüge auch für seine Kampagne gibt – sie bilden ein gutes Fundament, zu dem man zur Kampagne passende Details aus diesem Band hinzufügen kann, die man zufällig auswürfelt oder direkt auswählt.
Egal wie du die Entwicklung des Hintergrundes deines Charakters angehst, der nächste Schritt besteht darin, den Hintergrund mit Spielmechanismen auszudrücken. Wähle zwei Wesenszüge (oder drei Wesenszüge und einen Nachteil), die den dir vorschwebenden Hintergrund einfangen (siehe Wesenszüge und Nachteile). Diese Wesenszüge liefern kleine Boni und spiegeln die Fertigkeiten und das Wissen wieder, welche dein Charakter im Rahmen seiner bisherigen Erfahrungen erlangt hat. Solltest du einen Nachteil auswählen, repräsentiert dieser eine emotionale Verwundbarkeit oder eine Charakterschwäche, welche mehr als nur ein kleiner mechanischer Nachteil sein soll, sie dient – weitaus wichtiger – als rollenspielerisches Mittel, um interessante Entscheidungen zu treffen. Schließlich ist niemand perfekt!


Einen Hintergrund ausarbeiten

Ehe du mit der Art am Hintergrund deines Charakters zu arbeiten beginnst, würfle seine Attributswerte aus und bestimme seine Volks- und Klassenzugehörigkeit. Dies sind wichtige Basisinformationen, zu denen die Hintergrundgeschichte passen sollte.
Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels befassen sich mit dem Leben des Charakters ab seiner Geburt – Kindheit, Jugend und welche Weltanschauung er als junger Erwachsener entwickelt hat. Jeder Abschnitt enthält eine Reihe von Fragen, über die du nachdenken solltest. Du musst nicht alle Fragen beantworten können – vielleicht ziehst du es auch vor, manche Dinge im Laufe des Spiels zu entdecken. Es könnte dir aber leichter fallen, dich in deinen Charakter hineinzuversetzen, wenn du über die Fragen nachdenkst und dabei weitere Informationen gewinnst, mit denen du arbeiten kannst. Diese Fragen sind Hilfsmittel, damit du deine Vorstellungskraft auf bestimmte Punkte des Lebens des Charakters konzentrieren kannst, um aufgrund dieser Fragen gute Ansätze für Rollenspiel und Handlung für dich, deine Gruppe und deinen SL zu finden.


Das Ausarbeiten eines einzigartigen Charakterkonzepts

Manchmal mag es als Herausforderung erscheinen, einen Charakter erschaffen zu wollen, der nicht nur originell ist, sondern sich auch von anderen Angehörigen desselben Volkes und derselben Klasse unterscheidet. Ein Charakter wird schnell zu einem Stereotypen seiner Klasse oder seines Volkes – der biertrinkende Zwergenkämpfer mit seiner Streitaxt, der schnelle und weise elfische Waldläufer, der mit seinem Langbogen durch die Wälder schleicht, der kindliche, leise Halblingschurke usw. An all dem ist zwar nichts falsch und alle diese Charakterkonzepte mögen spaßig zu spielen sein – schließlich gibt es einen Grund, weshalb sie überhaupt erst zu kulturellen Archetypen geworden sind. Dennoch hätten wir im Folgenden einige Techniken, wie du dich von Stereotypen lösen kannst:

Originalität: Wenn du dich um jeden Preis bemühst, originell zu sein, wirst du wahrscheinlich enttäuscht sein, solltest du feststellen, dass jemand diese Idee bereits in einem Buch, Film, Spiel oder einer anderen Art von Medium benutzt hat. Originelle Ideen sind schwer zu finden, doch jede Person, die dir begegnet, ist einmalig und durch ihre individuellen Erfahrungen geformt. Statt nach einem originellen Konzept zu suchen, versuche lieber, dich auf die Erfahrungen zu konzentrieren, welche das Leben deines Charakters definieren und ihm seine Persönlichkeit und seine Weltanschauung verleihen. Spezifische Erfahrungen helfen dir dabei, dich von Stereotypen und Klischees zu lösen.

Die Dritte Idee: Wenn du nach Ideen suchst, hilft es zuweilen, deine erste und zweite Idee einfach zu ignorieren und dich erst ernsthaft mit der dritten, vierten und fünften Idee zu befassen. Auf diese Weise forderst du dich selbst heraus, dich mit anderen, interessanteren Möglichkeiten voller ungenutzten Handlungspotentiale zu befassen. Die einfachen Ideen dagegen hat man in der Regel zuerst, weil man sie schon einmal irgendwo gesehen hat.

Gegensätze: Wenn du an einer Charaktereigenschaft festhängst, welche dir langweilig, zu simpel oder stereotyp erscheint, dann mach genau das Gegenteil. So könnte der bereits erwähnte Zwergenkämpfer stattdessen eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften besitzen:

  • Du hast geschworen, keinen Alkohol zu trinken, verträgst ihn vielleicht nicht oder verhältst dich sehr merkwürdig in betrunkenem Zustand.
  • Dir wächst kein Bart.
  • Du bevorzugst eine zwergenuntypische Waffe, die nicht unter die Hämmer, Äxte, Armbrüste usw. fällt.
  • Du lebst in einem Wald oder auf einer Insel und nicht in den Hügeln oder Bergen, die die meisten Zwerge bevorzugen.
  • Du bist ein Pazifist und verabscheust Gewalt.
  • Du bedauerst oder liebst Orks und Goblins. Jede dieser Absonderlichkeiten kann die Charakterentwicklung fördern und für Handlungsaufhänger in der Kampagne sorgen.


Stehle schamlos: Manchmal benötigt man für einen neuen Charakter nur ein gutes Vorbild oder eine Grundlage, auf der man auf baut. Es kann sich dabei um Charaktere aus Büchern, Comics, der Geschichte, dem wahren Leben oder auch Film und Fernsehen handeln. Der Trick besteht aber darin, diverse Aspekte des Ausgangsmodells zu verändern, bis ein völlig neues Konzept entsteht.
Was wäre an Graf Dracula besonders, wenn er ein elfischer Magier wäre? Oder ein Halblingskleriker? Wäre er davon besessen, sich an Blut zu laben oder wäre er einfach nur uralt, unheimlich, rätselhaft und einzelgängerisch?
Oder wie wäre es mit Julius Caesar als menschlicher Schurke oder gnomischer Illusionist? Ist der menschliche Schurke einer von drei hochrangigen Angehörigen des organisierten Verbrechens, die planen, die Konkurrenz zu beseitigen und eine Stadt so zu regieren, wie Caesar seine Mitwettbewerber aus dem Weg geschafft hat, um Rom zu beherrschen? Oder hat der gnomische Illusionist eine prophetische Botschaft über seinen nahenden Tod erhalten, so wie Caeser sie von dem Wahrsager bekam?
Wenn du auf den Grundlagen bekannter Charaktere oder Personen auf baust, erhältst du so ein Gerüst. Nun musst du dir nur noch andere Umstände und Ausgangssituationen ausdenken, um zu neuen Ideen zu gelangen. Diese wachsen dann im Rahmen des Spiels von allein. Die erste Inspiration und das Ausgangsmodell helfen dir dabei, schneller in deinen Charakter hineinzufinden, ohne dass du dir dabei vorkommst, als würdest du das Rad neu erfinden.
Ein anderer, aber ähnlicher Weg, dies zu erreichen, besteht in der Kombination wichtiger Wesenszüge zweier unterschiedlicher Charaktere aus der Geschichte oder den Medien. Wie würdest du beispielsweise einen Charakter mit der logischen Kombinationsgabe eines Sherlock Holmes und der Unentschlossenheit eines Hamlet spielen? Einen Charakter mit der Kampf kraft eines Achilles gepaart mit der Erfindungsgabe eines Nikola Tesla? Einer Verbindung aus Merlins Magie und Marie Curies Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit? Johanna von Orleans gläubiger Überzeugung und Napoleons überwältigenden Ambitionen?


Zur Verwendung dieses Abschnitts

Der Rest dieses Abschnitts taucht in die Tiefen des Hintergrundes deines Charakters, begonnen mit der Geburt und frühen Kindheit, gefolgt von Jugend und den ersten Jahren als Erwachsener. Jeder Unterabschnitt enthält einige Fragen, über die du nachdenken und dir vielleicht Notizen machen solltest. Möglicherweise stößt du auf Fragen, die in Verbindung mit deinem Charakter eigentlich gar nicht aufkommen – in diesem Fall hast du Gelegenheit, dich zu fragen, warum dies nicht der Fall ist und was es für deine Beziehung zum Rest der Welt bedeutet. Auch wenn du bei einer Frage eine kurze Antwort wie „Ja“ oder „Nein“ zur Hand hast, könntest du dich tiefgründiger damit beschäftigen, warum deine Antwort nicht umfangreicher ausfällt.


Doch lass einen Hintergrund niemals zu einer Belastung werden. Das Ziel besteht darin, dir beim Spielen eines Charakters zu helfen, und nicht dich zu behindern und mit Entscheidungen zu lähmen, welche du vielleicht noch gar nicht treffen willst.