Spiel ohne Gesinnungen

Die Gesinnung ist einer der Eckpfeiler des Pathfinder-Rollenspieles. In ihrer nützlichsten Ausformung ist sie eine Abkürzung, die den Spielern hilft, die Persönlichkeiten ihrer Charaktere zu definieren. Es mag aber sein, dass du manchmal in einer Welt spielen willst, in welcher es kein absolut Böses oder Gutes gibt. Vielleicht ist der einzige Herrscher, welcher bereit ist, den Kampf der SC gegen eine Horde von Untoten mit seinen eigenen Truppen zu unterstützen, ein Unterdrücker und Diktator, welcher die Lage nutzen wird, um seine eigene Machtposition zu stärken und seine Untertanen noch mehr zu knechten – doch ohne seine Hilfe wird jeder sterben. Oder vielleicht müssen sich die SC einem infernalischen Feind stellen, dazu selbst aber zuerst finstere Kräfte erlangen. Bei Nutzung der folgenden Regelvariante können die SC ihre Überzeugungen angesichts unmöglicher Situationen auf die Probe stellen und Entscheidungen treffen, ohne dass die Spieler sich durch die spielmechanischen Konsequenzen eingeengt fühlen, welche ihre Charaktere im Fall eines Gesinnungswechsels erleiden würden. Die Gesinnung wird durch einen alternativen Mechanismus ersetzt, welcher als „Treue“ bezeichnet wird und ebenfalls die Gesinnungsvoraussetzungen bei Klassen usw. ersetzt. Des Weiteren werden mehrere Optionen vorgestellt, wie von Gesinnung abhängige Zauber und Effekte gehandhabt werden können.


Loyalität

Wenn Du das Loyalitätssystem verwendest, um einen Charakter zu erschaffen (egal ob SC oder NSC), dann wähle drei Dinge aus, denen die Treue des Charakters gilt. Dabei kann es sich um Ideale, ein Volk, eine Volksgruppe, eine Organisation oder anderes handeln. Es kann etwas Abstraktes sein wie “Meine Ehre” oder etwas Konkretes wie “Meine geliebte Mutter”. Sortiere diese Loyalitäten nach ihrer Stärke – dies geht am einfachsten, wenn man sich die Frage stellt, wie der Charakter sich bei widerstreitenden Loyalitäten verhalten würde. Wenn du es noch einfacher halten willst, dann nutze nur eine oder zwei Loyalitäten. Diese Loyalitäten ersetzen die Gesinnung als Messlatte für die Taten der Charaktere.


Klassen

Bestimmte Klassen besitzen gesinnungsabhängige Merkmale. Es folgt daher eine Aufstellung der erforderlichen Veränderungen bei den Klassen des Grundregelwerkes, wenn man Gesinnungen verzichtet. Diese Aufstellung kann als Richtlinie für Veränderungen bei anderen Klassen genutzt werden. Sie setzt voraus, dass du das Standard-Gesinnungssystem durch die weiter unten aufgeführte Option für Gesinnungsbezogene Loyalität unter „Kreaturen, Zauber und Effekte“ ersetzt. Solltest du weiter gehen und alle grundlegenden Gesinnungselemente streichen (wie bei der Option „Subjektive Moralvorstellungen“ beschrieben), dann ignoriere alle Bezüge auf Loyalitätsbeschränkungen in den folgenden Klasseneinträgen.


Barbar: Streiche die Gesinnungseinschränkung. Ein Barbar darf keine Loyalität zu Gesetz, Ordnung oder ähnlichen Konzepten besitzen.


Druide: Streiche die Gesinnungseinschränkung. Druiden müssen über eine Loyalität gegenüber der Natur oder des druidischen Verhaltenskodex verfügen.


Kleriker: Streiche die Gesinnungseinschränkung. Kleriker müssen eine Loyalität gegenüber ihren Gottheiten, aber nicht zwangsläufig gegenüber der Kirchenhierarchien oder anderen Angehörigen des Klerus besitzen. Streiche die Gesinnungseinschränkung hinsichtlich des Wirkens von Zaubern bestimmter Gesinnungen (da diese Zauber in diesem System nicht mehr existieren). Erstelle aber für jede Gottheit eine Liste verbotener Zauber nach Einflussbereich und Persönlichkeit. Streiche die Domänen des Bösen, des Chaos, des Guten und der Ordnung von den Listen aller Gottheiten und ersetze sie durch passende Domänen, damit jede Gottheit Zugang zu derselben Anzahl an Domänen eröffnet.


Mönch: Streiche die Gesinnungseinschränkung. Sollte ein Mönch jemals über eine Loyalität zu Chaos, Ungleichgewicht oder ähnlichen Konzepten besitzen, wird er zu einem ehemaligen Mönch, solange er diese Loyalitäten behält.


Paladin: Streiche die Gesinnungseinschränkung. Der Verhaltenskodex des Paladins lautet dann: „Der Kodex eines Paladins erfordert, dass er die rechtmäßigen Autoritäten respektiert, ehrenvoll handelt (nicht lügt, nicht betrügt, kein Gift verwendet usw.), jenen in Not beisteht (sofern das nicht die Loyalität des Paladins verletzt) und die bestraft, welche Unschuldige bedrohen, gefährden oder schädigen.“ Entferne beim Verhaltenskodex den Abschnitt zu Begleitern, Gefährten und Verbündeten. Ein Paladin muss über eine Loyalität zum Konzept des Guten verfügen und die meisten Paladine besitzen ferner eine Loyalität zu einer Gottheit. Hinsichtlich der Veränderungen bei der Paladinfähigkeit Böses entdecken siehe unter „Kreaturen, Zauber und Effekte“. Kreaturen, deren Loyalitäten denen des Paladins widersprechen, erlangen keinen Vorteil durch seine Aura der Gerechtigkeit. Die Paladinfähigkeit Böses niederstrecken funktioniert gegen jeden Gegner, dessen Loyalitäten in direktem Widerspruch zur schwerwiegendsten Loyalität des Paladins stehen. Er kann ferner eine Anwendung dieser Fähigkeit zurückerlangen, wenn er versehentlich ein ungültiges Ziel niederzustrecken versucht; dies ist ihm täglich in Höhe seiner Maximalanzahl täglicher Anwendungen an Böses niederstrecken möglich. Dies bedeutet, dass der Paladin nicht für eine Fehlanwendung bestraft wird, weil er raten muss, wo die Loyalitäten eines Gegners liegen. Auch kann er so Böses niederstrecken nicht beliebig oft als Loyalitätsdetektor nutzen. Sollte die wichtigste Loyalität des Paladins dem Guten gelten, so kann er Gegner mit einer Loyalität gegenüber dem Böses niederstrecken. Sollte jedoch seine wichtigste Loyalität dem König gelten, so könnte er stattdessen Gegner niederstrecken, deren Loyalitäten z.B. der Rebellion des neidischen Barons gelten. Der SL hat das letzte Wort, wie die Fähigkeit funktioniert, da nur er die wahren Loyalitäten eines NSC kennt – ein Söldner, der für eine Sache arbeitet, muss dieser gegenüber z.B. keine Loyalität verspüren. Der SL kann auch bestimmen, dass Böses niederstrecken wirklich nur gegen Gegner mit einer Loyalität gegenüber dem Bösen funktioniert, oder verlangen, dass die schwerwiegendste Loyalität des Paladins dem Guten gewidmet sein muss.


Kreaturen, Zauber und Effekte

Viele Zauber und Effekte, z.B. Böses entdecken, Heilige Waffen und Blasphemie, sind von der Gesinnung des Anwenders und/oder des Zieles abhängig. Im Folgenden stellen wir fünf mögliche Optionen vor, wie man mit solchen Fähigkeiten verfahren kann:

Gesinnungsbezogene Loyalitäten: Du kannst gesinnungsbezogene Effekte so zulassen, dass sie stattdessen bei Charakteren Anwendung finden, welche über Loyalitäten zu den Konzepten des Bösen, des Chaos, des Guten oder der Ordnung oder naheliegenden Konzepten besitzen.

Licht und Schatten: Alternativ können auf Gesinnung basierende Effekte auch bei (fast) jedem zur Anwendung kommen. Entferne die Gesinnungen und ersetze „Gut“ und „Böse“ mit Ersatzbegriffen ohne moralische Implikationen wie „Licht“ und „Schatten“. Diese werden dann einfach als weitere Arten von Energie behandelt, die auf der Welt vorkommen. Jede Kreatur kann eine Waffe führen, die Licht- oder Schattenschaden verursacht. Natürlich musst du z.B. SR 5/Gutes gegen SR 5/Licht austauschen, unheilige Waffen zu Schattenwaffen machen usw. Kreaturen, welche bislang stark über ihre Gesinnung definiert wurden, werden so weitaus unberechenbarer. Vielleicht sind manche Engel trotz ihrer himmlischen Gestalten ebenso verdorben wie Teufel und müssen sich die SC mit einem edlen Dämon zusammentun und Schattenwaffen einsetzen, um ihren Feind zu besiegen. Manche Kreaturen könnten auch Immunitäten besitzen – vielleicht erleiden Engel keinen Lichtschaden durch Lichtwaffen oder Strahlender Schlag, die Ersatzeffekte für Heilige Waffen und Heiliger Schlag.

Nur Externare: Du kannst die Gesinnungsunterarten bei Externaren beibehalten und auf Gesinnung basierende Effekte nur bei diesen zur Anwendung bringen. Bei dieser Art von Spiel leben die Sterblichen in einer Welt voller Grautöne, wobei das wahre Böse aber immer noch im Multiversum in den Herzen von Dämonen, Daimonen, Teufeln und anderen bösen Externaren existiert.

Subjektive Moralvorstellungen: Da kannst deine Welt extrem komplex gestalten, indem du alle auf Gesinnung basierende Effekte durch subjektive, auf Loyalitäten basierende Moralvorstellungen ersetzt. Bei dieser Art von Spiel ist jeder der Held seiner eigenen Geschichte. Die einzigen existierenden auf Gesinnung basierenden Gegenstände und Zauber sind jene, die nach der Gesinnung Gut benannt wurden (z.B. Heilige Waffen und Heiliges Wort) plus Böses entdecken. Diese Effekte reagieren aber auf die Loyalitäten der Anwender – wenn jemand Böses entdecken einsetzt, nimmt er Loyalitäten wahr, die der eigenen widersprechen. Wenn jemand eine Heilige Waffe führt, fügt diese denen zusätzlichen Schaden zu, deren Loyalitäten zur Loyalität des Trägers im Widerspruch stehen, usw. Der SL muss festlegen, ob Loyalitäten im Konf likt stehen. Wenn z.B. ein Kampfmagus entscheidet, dass seine Hauptloyalität ihm selbst gilt, kann er nicht nachvollziehbar behaupten, dass jeder, der ihn angreift, über eine widersprechende Loyalität verfüge; ein Gegner, der ihn in der Vergangenheit andauernd misshandelt hat, besäße dagegen eine widersprechende Loyalität, so dass die heiligen Angriffe des Kampfmagus bei diesem Gegner ihre Wirkung entfalten würden. Man könnte sogar gänzlich auf das Konzept der Loyalität zum Guten verzichten – in diesem Fall könnten Paladine und Antipaladine allesamt der Paladinklasse angehören und sich gegenseitig niederstrecken. Da sogar Externare nicht länger über eine Gesinnungsunterart verfügen, musst du die Listen für Wahlmöglichkeiten wie Verderben oder das Waldläuferklassenmerkmal Erzfeind um weitere Unterarten wie Dämon oder Teufel erweitern. Allerdings gehören manche Externare keiner Unterart an, die nicht auf Gesinnung basiert. Wenn du willst, dass Fähigkeiten wie Erzfeind weiterhin auf derartige Kreaturen anwendbar sind, könntest du sie unter einer neuen Unterart zusammenfassen (z.B. „Unabhängig“) oder neue Unterarten von Fall zu Fall einführen – so könnte der Astralleviathan z.B. die Unterart „Astral“ erhalten.

Vollständiges Entfernen: Schlussendlich kann du auch auf Gesinnung basierende Zauber und Effekte gänzlich entfernen. Ersetze die zauberähnlichen Fähigkeiten von Monstern mit ähnlichen Kräften. Ferner musst du andere Fähigkeiten ersetzen, welche Kreaturen bestimmter Gesinnungen betreffen, z.B. die Fähigkeit Himmlisches Feuer eines Hexenmeisters mit der Blutlinie des Himmels, oder die Wahlmöglichkeiten für Charaktere beschränken, um solche Fähigkeiten gänzlich auszuschließen.